Aus dem Leben  ·  Erinnerungen

Auf dem Weg zum Wunschberuf

Schon in jungen Jahren äusserte Eduard den Wunsch Lehrer zu werden. In Zignau gab es damals kein einziges Klavier, dafür zwei Harmonien im Schulhaus
und ein kleines Harmonium in einem Privathaus. Dieses Instrument erstand Vater Lombriser und ermöglichte seinem Sohn Eduard Unterrichtsstunden bei verschiedenen mehr oder weniger qualifizierten Lehrern.

Im Herbst 1933 bestand Eduard Lombriser die Aufnahmeprüfung ins Lehrerseminar in Chur. Dies bedeutete eine zusätzliche finanzielle Belastung: Kosten für die Reise nach Chur, Kost und Logis, das Schulgeld und das Schulmaterial. Ein begüterter Mann in Truns leihte ihm gegen einen bestimmten Zins das notwendige Geld.

Musik spielte im Lehrerseminar eine tragende Rolle. Der Klavierunterricht war für alle zukünftigen Lehrer obligatorisch. Daneben wirkten die Seminaristen in mindestens einem der drei Chöre mit, im gemischten Chor, im Männerchor oder im rätoromanischen Chor. Beliebt war auch die Kadettenmusik, ein Musikcorps mit achtzig Bläsern.

1. Musikunterricht mit Hindernissen

Mein Vater merkt früh, dass ich musikalisch bin. Ich bin in der vierten Klasse, als er sich beim Kaplan erkundigt, ob ich mit dem Harmoniumunterricht beginnen soll. Da dieser der Ansicht ist, es sei noch zu früh, muss ich zwei Jahre warten. In der sechsten Klasse ist es so weit. Aber wo Unterricht nehmen?

In der Gemeinde gibt es keinen Lehrer, der dafür infrage kommt. Der Organist der Pfarrkirche von Truns, von Beruf Förster, will diese Aufgabe nicht übernehmen. Er empfiehlt seinen neunzehnjährigen Sohn. Für den Anfang würde das genügen. So muss ich wöchentlich einmal für eine halbe Stunde zu ihm ins Privathaus nach Truns.

Diese Stunden schätze ich gar nicht. Während des Unterrichts sitzen noch andere Familienmitglieder in der Stube, die munter miteinander plaudern. Und wie sollte ich daheim üben, ohne Harmonium? So vergehen ein paar Monate. Merkliche Fortschritte bleiben aus.

Eines Tages steht bei uns in der Stube ein Harmonium, das der Vater aus jenem Privathaus erstanden hat. Und ich bekomme einen anderen Lehrer, den neuen Lehrer der Unterstufe in Zignau. Einmal in der Woche kommt er zu mir nach Tiraun zum Unterrichten. Da mein Vater keine richtigen Fortschritte feststellt, plant er einen weiteren Lehrerwechsel.

In der Nachbargemeinde Schlans kann ich beim Dorfpfarrer den Unterricht fortsetzen. Zwei Jahre lang heisst es für eine halbe Stunde ins knapp dreihundert Meter höher gelegene Dorf hinauf und wieder zurück zu laufen. Im Winter ist wenigstens die Rückfahrt mit dem Schlitten angenehmer.

Möglich, dass mein Vater findet, der Weg nach Schlans sei mit zu viel Zeitverlust verbunden. Auf jeden Fall hat er im Nachbardorf Danis, einer Fraktion der Gemeinde Brigels, einen weiteren Schullehrer ausfindig gemacht, der mich auf dem Harmonium unterrichten kann. Die Fahrt dorthin lege ich in der Regel mit dem Velo zurück.

Am Lehrerseminar ist Klavierunterricht für alle Seminaristen obligatorisch. Ich werde Musikprofessor Schweri zugeteilt. Stolz zeige ich ihm in der ersten Stunde meine Harmoniumschule. Sein Kommentar: «Wenn Sie bisher nur Harmonium gespielt haben, fangen wir am besten beim Klavier von vorne an!»

2. Sorgen um die Finanzierung des Studiums

Schon lange bevor ich ins Lehrerseminar eintrete, macht sich der Vater Sorgen um die Finanzierung meines Studiums. Als Schreiner findet er keine Arbeit. Als Waldarbeiter oder als Senn in den Sommermonaten hat er ein kleines Einkommen. Zu Hause haben wir ein paar Ziegen, eine Sau und einige Hühner. Es reicht zum Überleben.

Aber meine Auslagen? Die Reisekosten nach Chur, Kost und Logis, das Schulgeld und das Schulmaterial? Von Augustin Desax, einem begüterten Mann in Truns, erhält mein Vater die Zusicherung, bei Engpässen Geld gegen einen bestimmten Zins zu erhalten. Zudem bekomme ich von der Kantonskanzlei einen jährlichen Beitrag von hundert Franken.

Wenn das neue Schuljahr beginnt, muss ich mich vorher auf Vaters Geheiss beim Dorfkaplan und beim Dorfpfarrer verabschieden. Mindestens ein Fünfliber schaut dabei jedes Mal heraus. Das letzte Mal streckt mir Pfarrer Gion Cadieli sogar eine Zwanzigernote entgegen. Es sind harte Zeiten: Für unsere Familie, für die meisten Familien!

3. Lob des Seminardirektors nach dem Schlusskonzert

Ende des letzten Schuljahres tritt die Kantonsschule in Chur mit einem Konzert in der Sankt Martinskirche an die Öffentlichkeit. Das Programm beinhaltet Vorträge des Männerchors, des Gemischten Chors und dreier Orgelschüler der Abschlussklasse. Ich bin der Auserwählte von Professor Duri Sialm.

Wenn ich heute zurück denke, kann ich kaum begreifen, dass mir Professor Duri Sialm ein so langes und schwieriges Orgelstück anvertraut hat. Es ist eine achtseitige Toccata von Joseph Callaerts. Ich habe den ganzen Winter daran zu üben.

Zum Glück kann mein Bruder Anton irgendwo ein billiges Klavier für hundert Franken auftreiben. Er lässt dieses in mein Zimmer bringen. So kann ich jede freie Minute nutzen, um darauf zu üben. Die Pedale fehlen natürlich, aber ich ziehe die Schuhe aus, stelle mir die Pedale vor und trample mit den Füssen auf dem Boden hin und her.

In der Aula des Konvikts ist eine kleine Orgel. Da habe ich hie und da Gelegenheit, mein Vortragsstück zu üben. In der Kirche reicht es zu einer einzigen Hauptprobe wenige Tage vor dem Konzert.

Beim Konzert in der vollbesetzten Kirche hinterlässt der Vortrag einen nachhaltigen Eindruck. Das Publikum ist mit meiner Leistung zufrieden. Ein besonderes Lob erhalte ich am anderen Tag vom Seminardirektor in der Pädagogikstunde. Er meint zur Klasse: «Lombriser wollen wir heute schonen!»